Kreuzberger Chronik
September 2008 - Ausgabe 100

Essen, Trinken, Rauchen

Auf der Suche, 2. Teil


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von Hans W. Korfmann

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Enttäuscht tat sie es der alten Strickkleid-Dame gleich und bestellte ein Stück Sandkuchen. Das Café am Meer ist die Schwesternwirtschaft vom gleichnamigen imbiss im Wannseebad mit Strandkörben und Seeblick. Hier in Kreuzberg von Ozean keine Spur! Obwohl: Das Wasser, schmeckte das nicht leicht salzig? Und das Wogen des Autoverkehrs, klang das nicht so besänftigend wie Meeresrauschen?

»Ich hasse Dich!«, schrie plötzlich die Frau am Nebentisch. Dann verharrte das Paar in eisigem Schweigen. Gleich würden sie aufstehen und sich trennen! So etwas konnte sie jetzt nicht mit ansehen, dazu war sie zu sensibel, sie war ja mindestens so aufgelöst wie die Frau nebenan. Sie sprang auf, wie vom Strudel erfasst taumelte sie zur Tür, doch da hörte sie den Mann sagen: »Ich habe doch nie etwas Böses gewollt.«

Erleichtert blieb sie stehen, schloss die Augen. Sie war sich sicher: Der Deich der Liebe hatte der Sturmflut des Streits standgehalten. Sie hörte, wie der Mann »Süße« in die Ohrmuschel der Frau flüsterte, die aufgepeitschten Gefühlswellen waren nur noch leise Gluckser. Eine Träne der Erleichterung lief ihr in den Mundwinkel, die Versöhnung des Paares ging ihr viel zu nah. Und die Träne? Schmeckte diese Träne nicht wirklich salzig? Es war Zeit, kräftig nachzuspülen. Mit einem Ouzo vielleicht! Der Alte trank auch immer Ouzo. Im »Z« vielleicht?

DIE ITALIENER in der Osteria hatten keine Zeit, um über Frauen zu quatschen. Seit Juni quatschten sie nur noch über Fußball. Also ging er wieder in die Bergmannstraße zurück, vielleicht saß sie ja bei Schwester Z an der Scheibe, da hatte man auch einen ziemlich guten Ausguck. Doch auch dort keine Spur! Er wechselte die Straßenseite, kam an den großen Panoramascheiben des Atlantic vorbei. Alle saßen am Fenster, alle nippten an Kaffeetassen oder Weingläsern, und alle sahen ihn an. Aber eines dieser Gesichter grinste ihn besonders breit an. Er blieb stehen, es war Hansi, der Wirt vom Matto. Er saß da, wo er immer saß: auf seinem hohen Barhocker vor dem kleinen Stehtisch neben der Tür. Hansi liebte die Kurzurlaube im Atlantic, wie ein Grieche saß er vor seinem Kaffee und guckte, und es entging ihm nichts von dem, was auf der Straße geschah.

»Hast Du sie gesehen?«, fragte er. Hansi schüttelte den Kopf. Die Kellnerin hatte ein knappes, strahlend weißes T-Shirt an. Darunter war sie so braun, als hätte sie sechs Monate am Strand des Pazifiks gelegen. »Nee, schon seit Tagen nicht!«, sagte Hansi. »Soll ich Dich auf ’nen Whisky einladen?« – »Nö, warum?« – »Du siehst so aus, als könntest du einen gebrauchen!« Die Kellnerin kam, beugte sich über den Tisch, um eine winzige Fluse von Hansis Jacke zu entfernen. Hansi lächelte. Hansi saß gerne am Rand des Atlantic, er liebte diesen Ausblick. Manchmal war es, als blicke er aus der Höhe auf einen sanft wogenden, schön geschwungenen Meerbusen hinab. •

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