Oktober 2008 - Ausgabe 101
Geschäfte
Froböses Porzellanstudio von Saskia Vogel |
Töpfern ist ein Wort, das Matthias Froböse nicht unbedingt mag. Er sitzt eben nicht an der Drehscheibe und produziert bunte Teetassen, um sie auf dem Ökomarkt zu verkaufen. Zwar war er letztes Jahr beim »Holy Shit Shopping« im Café Moskau dabei, aber – »dieser Kreativmarkt ist nicht so wie die anderen.« Wie denn? »Na so eben.« Eine schöne Töpferscheibe, dazu zwei Katzen – das ist ein Lebenskonzept, das nicht das von Matthias ist. Er ist kein Laie, er arbeitet mit Positiv-und Negativformen, und während die Werkstattkollegen aus dem Supermarkt 2.0 »Hach!« zur neu gegossenen Kanne sagen, stellt Matthias sie in die Ecke »und überhaupt, ich will in mein Bett.« Es ist ein Millimeter, ein Winkelgrad zu viel, der das neu entstandene Stück nicht seinem ästhetischen Anspruch gerecht werden lässt. Das Auge eines professionellen Produktdesigners ist eben schärfer als das eines Hobbytonkneters. Pünktlich zur Jahrtausendwende hatte Matthias sein UDK Diplom in der Hand, da war er groß, schlank und Anfang Dreißig. Es begann eine Phase mit Jobs als Messebauer und der Zukunftsangst eines Freiberuflers. »Aber jetzt ist alles ganz, ganz toll«, sagt Matthias dort auf der schwarzen Couch, auf der er gerade sitzt. Im Supermarkt 2.0. Zum Reden über die Vergangenheit lässt er sich nicht zwingen, stattdessen fällt er schräg nach vorne mit seinem langen Rücken und lacht sein ironisches Lachen, das alles nicht mehr so ernst erscheinen lässt. Sich, das »ganz, ganz toll« und das Leben überhaupt. Nur »die Radien des Grundkörpers« der Kanne, die müssen korrekt sein. Der Supermarkt 2.0 in der Wrangelstraße wirbt mit »Super Arts and Super Services«. Seit anderthalb Jahren teilen sich rund 15 Kreative die 200 Quadratmeter große weiße Halle, der Fotograf Mika Redeligx, die Kinderbuchillustratorin aus Madrid, der Objektkünstler Ron Rocco aus NyC. Anderthalb Meter Schreibtischplatte ist für 150 Euro im Monat zu haben. »Der Zusatz 2.0 kommt von der Hausnummer 20«, erklärt Jan Philipp Wittrin, »und weil der Kunde bei der Entstehung des Produktes mitwirken kann – ähnlich wie User im interaktiven Web 2.0 Inhalte produzieren. Dieses Konzept geht besonders bei den Web-Designern auf.« Jan Philipp ist ebenfalls Designer und wie Matthias von Anfang an im Supermarkt dabei. Foto: Privatarchiv
Es gibt aber auch Produkte, die man gleich mitnehmen kann. Wie die Espressotassen mit dem »Froböse«-Logo auf der Unterseite. »Girlcup« heißen sie, stehen im Schaufenster, und sehen aus wie der Unterleib einer griechischen Statue. Weiblich, aber nicht vulgär. »The next Generation«, also die zweite Produktionsreihe, hat einen Bauchnabel in der Mitte, die der Tasse die nötige frobösische Ironie einhaucht. Das französische Limogesporzellan ganz in Weiß, die unglasierte samtige Oberfläche, »die nennt man biskuit«, und den Künstler einen Minimalisten. Eine Wandvase, die kann jeder, aber ein Schattenspiel, das bei Lichteinfall die Form der Blüte reizvoll vervielfältigt, kann nicht jeder. Solche Details sind es, die Matthias vor kurzem auf einer Messe in Mailand ausstellte. Den Stand musste Matthias jedoch aus Deutschland mitbringen. Dass Geldmangel kreativ macht, ist bekannt, dass ein kompletter Messestand bei Easyjet ins Handgepäckfach passt, völlig neu. Matthias Lösung: Er rammte Meter hohe Metallspiralen in den Grasboden des Ausstellungszeltes und befestigte seine Keramik am Ende mit Magneten der Stärke »Achtung Quetschgefahr«. Die Objekte schwankten durch die italienische Luft wie Frühlingsblumen und lockten tatsächlich Kunden an. Mit dem Freiberuflertum klappt es inzwischen gut genug, um auf dem DMy International Design Festival in Berlin gleich mit drei Ständen präsent zu sein. Für den Freigeist soll spätnachts »Klack« das Licht im Supermarkt und »Zisch« die Zigarette im Mund angehen und erst im Morgengrauen wieder erlöschen. Der Supermarkt bietet diese Freiräume und die nötigen »Connections« gleich dazu. Das soziale Netz spannte sich jüngst in Mailand. Weil dort zu Messezeiten die Hotelpreise unverschämt werden, stieg Supermarkt-Kollege und Architekt Tobias Lehmann gleich mit ins Geschäft und konstruierte das »Nohotel« – ein günstiges Pritschenlager im Uni-Hörsaal. Außerdem ist im Supermarkt einfach genügend Platz für all die Gerätschaften, die man zum Töpfern braucht. Ja richtig, »zum Töpfern«. Denn eine Drehscheibe hat Matthias – wenn auch »nur für die Herstellung der Gussformen!« – und trotz aller Abneigung gegen »Holy Shit Rumgeknete«. Sie steht gut versteckt hinter seinem Werktresen. Hier sieht man ihn ab der Taille aufwärts wandeln, mal taucht er ab, um dann gleich wieder weiß bestaubt in die Höhe zu schießen und den Kunden »viel Freude am Produkt« zu wünschen. Der Ofen hat seinen Platz im Keller, gerade trocknen einige Auftragsarbeiten bei gemütlichen 50 Grad. Matthias selber heizt privat in der Wienerstraße mit Holz und Kohle. »Aber macht ja nichts, Hauptsache die Keramik hat´s warm«. Wieder bricht das ironische Lachen durch. Ein eigener Ofen ist teuer, er aber besteht auf das Gerät: »Ich will die Rohlinge nicht erst durch die halbe Stadt zum Brennen tragen – schließlich bin ich ein professionell ausgestatteter Formenfinder.« • |