November 2008 - Ausgabe 102
Geschäfte
Vera Breitenbachs Masche von Saskia Vogel |
Vera Breitenbach steht zwischen den Garnknäueln im Hinterzimmer ihres »strick.design.mode« Ladens. Hier steht sie gern, weil sie hier auch mal eine rauchen kann, ohne dass die Kunden sie dabei erwischen können. Und dann vielleicht die Nase rümpfen. Obwohl es in dem ganzen Laden nur eine einzige Duftnote gibt: es riecht nach frischer Wolle. Vera Breitenbach ist wie ihre Kundinnen: Nicht mehr ganz jung, aber auch nicht alt, mit flottem Kurzhaarschnitt. Sie mag keine Ramschware, und ihre Käuferinnen mögen auch keine Ramschware. Auch keinen engen Stretch. »Mausi trägt eng – dieses Modediktat kann mir gestohlen bleiben. Meine Kundinnen sind gern auch mal etwas fülliger um die Hüften.« Nicht zu dick, und nicht zu dünn. Ganz normale Frauen eben. Allerdings Frauen, die Wert auf Qualität legen. So wie Vera Breitenbach. Vera Breitenbach lernte das Pulloverstricken schon früh, denn das Geld im Elternhaus war knapp, und selbst Gestricktes war billiger. Dann entdeckte sie bei Freunden eine Strickmaschine. Daran arbeitete sie sich allmählich bis zur Modedesignerin hoch. Zuerst verkaufte sie ihre wollenen Kreationen auf Kunstmärkten, besonders beliebt waren die modischen Cacheurs, Tücher für die Taille. Aber eines Tages wurde ihr das ständige Genörgel ihrer Kundinnen zu bunt, die sich darüber beschwerten, dass Vera Breitenbach noch keinen eigenen Laden hätte – zum gemütlichen Anprobieren bei einer Tasse Tee. Also mietete sie eine Boutique in der Bergmannstraße an, und bald wird sie ihr 10-jähriges Firmenjubiläum feiern. Die Stammkundinnen haben ihr die Treue gehalten, auch, als das Schaufenster völlig hinter der Baustelle des Ärztehauses verschwand. Zum Lärm der Strickmaschine, auf der sie gemeinsam mit zwei Angestellten ihre Vorstellungen von Mode verwirklicht, kam der Lärm der Pressluftbohrer hinzu. »Reife Frauen mögen meine Mode.« Die Modeschöpferin weiß eben, dass die Wechseljahre »Klimakatastrophen« verursachen, und hat ihre Modelle auf diese kleinen Katastrophen zugeschnitten. Ihre Kleidung ist sozusagen multifunktional. Das schlichte Naturfaserkleid in seinen dunklen Erdtönen hat für den Notfall abnehmbare Kragen und Ärmel. Aber Vera Breitenbach hat nicht immer gestrickt. Sie war einmal Krankenschwester. im Klinikum Westend, so wie Evelin Brandt. Auch die hat sich irgendwann der Mode zugewendet, heute ist ihr Name eine Weltmarke. »Evelin hatte immer Liebeskummer – und wie wild gestrickt.« Liebeskummer hatte Frau Breitenbach auch manchmal. Neidgefühle, weil ihre eigene Karriere bislang etwas bescheidener als die der Evelin Brandt verlief, dagegen nicht. Es gibt Wichtigeres im Leben. Zum Beispiel das gerade geborene Enkelkind. Dem hat Frau Breitenbach eine ganze Bärenfamilie gestrickt, Masche für Masche per Hand. • |