Kreuzberger Chronik
Juni 2008 - Ausgabe 98

Das Essen

Heimlich bei McDonalds


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von Saskia Vogel

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Als am 14. September vergangenen Jahres die erste McDonald’s-Filiale in Kreuzberg eröffnete, war der Protest nicht gerade spektakulär. Zahlreiche Journalisten scharten sich um die wenigen anwesenden Gegner des Hack-Braters, aber zu großen Aktionen kam es nicht. Enttäuscht schrieb ein Aktivist: »Auf jeden Fall war ich der einzige Gegenspieler während der Eröffnung – kam mir zumindest so vor.«

Erstaunlich, denn ihren Unmut gegen »McFress« hatten die Bürger schon vor Jahren geäußert, als der US-Konzern das Areal an der Wrangelstraße kaufte, um seinen weltweit rund 31.000 Filialen noch eine weitere hinzuzufügen. Als im Frühjahr 2007 die Bauarbeiten begannen, sprach Philipp Raschdorf, Sprecher der Initiative McWiderstand, von einem »Angriff auf die Vielfalt der kleinen Restaurants und Döner-Buden im Bezirk«. Wiederholt wurden Steine und Farbbeutel gegen Ronald McDonald’s neues Heim geschleudert, insgesamt stellte der Konzern fünf Anzeigen im Zusammenhang mit den Vorfällen. Christian Ströbele, Kreuzbergs Abgeordneter im Bundestag, verlautbarte im Sinne aller Gegner: »Hier wohnen sehr viele Leute, die natürlich angebaute Kost, also Öko-Food, essen. Da paßt ein McDonald’s nicht hin.«

Dabei wurden drei Dinge übersehen: Erstens gab es schon seit Jahren ein imperialistisches Fastfood-Restaurant in Kreuzberg, nämlich den Burger King in der Yorckstraße, auch wenn es weitläufig hieß: »Dahinten ist ja schon fast Schöneberg, zählt nicht …« Zweitens eröffnete zeitgleich zur »McFress« Protestbewegung die weltweite Kette China Box in der Oranienstraße ein Restaurant, das mit seinen Glutamat-Nudelpfannen zum »schnell mal Hineinschlingen« der McDonald’s Eßkultur in kaum etwas nachsteht.

Und drittens, und das ist der wichtigste Punkt: Die Proteste waren wichtig, richtig und notwendig. Aber überflüssig, wenn die Kreuzberger tatsächlich so sind, wie sie meinen zu sein: Öko-Esser und strikte Ablehner von kapitalistischen Hackbrötchen. Denn hätten weiterhin alle (vom Schüler aus dem nahen Oberstufenzentrum bis zum alternativen Kiezbewohner) ihren Veggie-Burger bei Yellow Sunshine oder bei Kreuzburger gegessen, wäre der neue McDonald’s in kurzer Zeit finanziell schlichtweg »ausgehungert«. Es ist immer der Konsument, der den Umsatz bestimmt.

Noch jüngst meldete der Tagesspiegel, daß wegen eines »herrenlosen Koffers« neben McDonald’s gar ein Spezialkommando ausgerückt sei, um die Filiale zu evakuieren. Ob der »blinde Alarm« ein letzter Ausläufer der Protestbewegung war, bleibt unklar. Klar ist auf jeden Fall, daß David den Kampf gegen Goliath weder mit Farbbeuteln noch mit Bombenspäßchen gewinnen kann, sondern nur durch Ignoranz. Zwar scheint die Filiale keine Goldgrube zu sein, denn selbst am Freitagabend herrscht hier mitunter gähnende Leere. Aber scheinbar essen noch genügend Leute die Hackfleischmasse, damit sich die Filiale rentiert. Und nicht alle kommen von außerhalb, so mancher Kreuzberger Nachbar schleicht da heimlich um die Ecke.

»Kreuzberg ißt anders« stand in großen Graffitilettern im vorherigen Jahr noch auf dem Bauzaun des Restaurants. Doch nach 9 Monaten ist klar, daß das vor allem ein Spruch ist. Auch dem Kreuzberger schmecken die imperialistischen Fritten anscheinend ganz gut, und der Standpunkt Wrangelstraße konnte sich längst als »ganz normale Filiale« etablieren – so wie es McDonald’s Sprecher Alexander Schramm zur Eröffnung vorhersagte.

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