Kreuzberger Chronik
Dez. 2008/Jan. 2009 - Ausgabe 103

Geschichten & Geschichte

Königin Luise


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von Werner von Westhafen

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Die Kaiserin »Sissi« wurde in Wien zur Legende. Die preußische Luise dagegen ist fast vergessen.



Sie war eine schöne und eine mutige Königin. Sie war es, nicht ihr zögerlicher Gemahl Friedrich Wilhelm, die 1807 bei den Friedensverhandlungen dem siegreichen Napoleon bis zum Schluss Paroli bot. Der kleine Franzose schrieb daraufhin an die Gemahlin: »Gestern hat die Königin von Preußen mit mir diniert. Ich mußte mich tüchtig wehren, da sie mich zwingen wollte, ihrem Mann noch einige Zugeständnisse zu machen. (…) Sie ist sehr reizvoll.« Am Ende jedoch widerstand der Eroberer dem Charme der zierlichen Frau und rief: »Magdeburg ist mir wichtiger als 100 Königinnen!« Preußen verlor die Hälfte seines Landes.

Dennoch wurde Luise zur Ikone der Befreiungsbewegung. Dass die Schöne nicht ganz oben auf der Freiheitsstatue vom Kreuzberg thront, hätte selbst den wenig zimperlichen General Blücher empört. Als der siegreiche Feldmarschall nach all den blutigen Schlachten gegen Napoleon im März 1814 auf Paris blickte, soll er nur drei Worte gesprochen haben: »Luise ist gerächt!«

Zu diesem Zeitpunkt war die Königin bereits vier Jahre tot. Im Sommer des Jahres 1810 fuhr sie in die Ferien auf den Landsitz und verbat sich sämtliche »Komplimente« und »alle Aufwartung von Adel«. Der Adel war ihr zu buckelig. Schon bei der Hochzeit mit Friedrich Wilhelm III. eroberte sie die Herzen der Berliner, indem sie, entgegen aller Etikette, ein kleines Mädchen auf den Arm nahm und küsste. Auch auf den Empfängen waren fortan Frauen aus bürgerlichem Hause geladen, die Erziehung ihrer Kinder übernahm sie am liebsten selbst. Darüber hinaus stand sie Wilhelm in allen Geschäftsangelegenheiten zur Seite und war in den Augen der Öffentlichkeit diejenige, die im Hintergrund des Gemahls die Fäden zog.

Doch die friedlichen Sommertage auf dem Landsitz endeten in einem Drama. Innerhalb weniger Tage starb Luise im Schlösschen von Hohenzieritz qualvoll an einer Lungenentzündung. Noch ein Mal berührten ihre schlichten letzten Worte die Zeitzeugen: »Oh, Jesus, mach´s kurz!« Als am 27. Juli der Leichnam der 32jährigen Königin in Berlin eintraf, war das Volk bestürzt, und es herrschte eine »große Stille, und man sah überall auf der Straße Weinende aus allen Ständen«.

Sie hinterließ zehn Kinder und einen trauernden Gatten, den noch Jahre später eine stadtbekannte Berlinerin mit den Worten trösten musste: »Ja, Majestäteken, et is schlimm for Ihnen, aber wer nimmt och jern eenen Witwer mit sieben Kinderkens…«.

Viele Plätze, Schulen, Straßen, Kirchen tragen bis heute ihren Namen. Eine der ältesten Würdigungen aber ist die »Luisenstadt«. Schon 1802 beschlossen die Berliner, die »Köllnischen Vorstädte« fortan »Luisenstadt« zu nennen. 1834 umfasste diese Luisenstadt die Hälfte des Belle Alliance Platzes, 13 Straßen und sieben Gassen. Erst im Jahre 1920 wurde sie in zwei Verwaltungsbezirke geteilt. Der südliche von ihnen heißt seitdem Kreuzberg. •


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