Mai 2007 - Ausgabe 87
Herr D.
Herr D. und die Amerikaner von Hans W. Korfmann |
Es war ein schlechter Tag. Herr D. trat vor die Tür, in der Mitte seines Sattels stand eine Wasserlache, das ganze Fahrrad tropfte. Herr D. fluchte, so laut er konnte, »SCHEISS AMERIKANER!« Dann sah er hoch zum Nachbarn aus dem vierten Stock, auf dessen Balkon die amerikanische Flagge wehte. Nicht erst seit der Fußball-WM, sondern seit jenem Tag vor fünf Jahren, als dieser Mann, der täglich seine Gymnastikübungen auf dem Balkon machte, den Fuß in sein Viertel setzte. Herr D. ließ das Fahrrad stehen und trat auf die Straße, weit genug, daß alle zielbewußten Autofahrer auf ihrem Weg zur Arbeit einen kleinen Schlenker einbauen mußten. Als ein Taxi auftauchte, streckte Herr D. den Arm aus. Er hatte Glück, das Taxi hielt. In der Regel fuhren sie an ihm vorbei. Herr D. stieg wortlos ein, es gab Berliner Taxifahrer, die waren nur unwesentlich freundlicher als Berliner Busfahrer. Der Taxifahrer erwiderte sein Schweigen und sah ihn wortlos, aber fragend an: »Auswärtiges!«, sagte Herr D. Der Fahrer aber sah ihn noch immer an. Dann sagte er: »Sind Sie nicht der, der jeden Morgen ›Scheiß Amerikaner‹ schreit?« Herr D. war das ein bißchen peinlich, er konnte sich schon vorstellen, was für einen Eindruck das hinterließ, wenn einer jeden Morgen »Scheiß Amerikaner« rief. Aber die Freiheit nahm er sich. Also sagte er: »Ja, das bin ich! Und, stört Sie’s?« »Nein, ich bin Iraner. Stört mich nicht«, sagte der Taxifahrer und sah Herrn D. verständnisvoll an. »Sie machen das bestimmt wegen dem Typen mit der Flagge im 4. Stock, was?« – Wieder einer von diesen lebenslänglichen Studenten, die bis zum Tod Taxifahren müssen, weil ihnen der Doktortitel auch keinen besseren Job bringen würde, dachte Herr D., und sagte: »Nee, nicht wegen dem Typen im vierten Stock, sondern wegen dem Regen im Februar.« Jetzt sah ihn der Iraner mit einer Mischung aus Skepsis und Mitleid an. Herr D. sah ein, daß er das erklären mußte. »Es hat in diesem ganzen verdammten Winter nur zweimal geschneit und einmal gefroren. Ständig dieser Pißregen. Und Schuld daran sind einzig und allein die Amerikaner. Kyoto 1997. Ich sag Ihnen, denen ist das vollkommen egal, was hier in fünfzig Jahren los ist. Wahrscheinlich gehört’s zur Strategie, daß 2050 subtropische Seuchen Europa bedrohen. Der Borkenkäfer die letzten Wälder vernichtet. Heuschreckenschwärme den Himmel über Berlin verdüstern …« Herr D. war selten so eloquent wie an Regentagen. »Sie vergessen die Autolobby«, wandte der Iraner ein. – »Sie müssen gerade was sagen mit Ihrem Daimler!« »Ich fahre mit Gas!«, sagte der Iraner und steckte sich genüßlich eine Zigarette an, »hören Sie das nicht? Wie leise der läuft?« – »Mit Gas?« – »Der Umbau kostet 2.000 Euro. Dafür zahl ich nur noch die Hälfte fürs Benzin. Das Geld ist in einem Jahr wieder drin!« – »Gas?« – »Ja, in Berlin gibt’s schon über 20 Gastankstellen. Überhaupt kein Problem. Und mit einem Tank mach ich 500 Kilometer. Bei gleicher Leistung. Aber die Hälfte an Schadstoffen! Wissen Sie, wenn die wirklich was tun wollten gegen das CO2, dann könnten die doch erst mal den kompletten öffentlichen Verkehr umstellen. Und dann steuerliche Vergünstigungen für alle Privaten, die auf Gas umrüsten. Und dann, als letzte Konsequenz: das Benzinverbot. Das Rauchverbot haben sie ja auch durchgekriegt! Die Amerikaner sähen dunkelrot!« – Der Taxifahrer schlug sich vor Freude auf die Schenkel. »Aber wissen Sie was: Wir haben das in Polen machen lassen. Nicht nur, weil’s billiger ist, sondern weil die das einfach draufhaben. In fünf Stunden war alles fertig. Hier sind die da einfach noch hintendran. In Polen fahren doch schon 20 % aller PKWs mit Gas!« |