Kreuzberger Chronik
Dez. 2006/Jan. 2007 - Ausgabe 83

Straßen

Die Schlachtentrilogie (2):
Die Hagelberger Straße



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von Werner von Westhafen

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Preußen, Russen und die viel belächelte Berliner Landwehr hatten es tatsächlich geschafft, Napoleon, der mit seinen Truppen nur wenige Kilometer vor Berlin stand, in der Schlacht von Großbeeren zu besiegen. Doch natürlich gab sich ein Napoleon so schnell nicht geschlagen.

Vier Tage nach der verlorenen Schlacht  und noch während die Berliner auf dem Schlachtfeld vor den Toren der Stadt die letzten Leichen fledderten und Souvenirs einsackten  kam es am flämischen Hagelberg zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Franzosen und Preußen. Die Schlachten von Hagelberg am 27. August und von Dennewitz am 6. September werden von Historikern und Militärs gern als Rückzugsgefechte bezeichnet und entsprechend abgewertet. Allerdings ebneten die Soldaten in diesen Gefechten den Weg zur berühmten Völkerschlacht bei Leipzig. Und auch Blut floß am Hagelberg mehr als genug. Denn ähnlich wie schon in der Schlacht von Großbeeren waren die Bedingungen für den Kampf denkbar schlecht: Wieder regnete es ohne Unterlaß, wieder waren der Boden weich und das Pulver naß, wieder gingen die Soldaten mit Bajonetten und Gewehrkolben aufeinander zu und schlugen sich in grausamer Manier die Schädel ein. Weshalb die Schlacht am 27. August 1813 am Hagelberg in der Nähe von Belzig auch als »Kolbenschlacht« in die Geschichtsbücher eingegangen ist. >Und auch dieses Mal war es die viel belächelte, weil aus Kriegslaien bestehende märkische Landwehr  vom überheblichen korsischen Kaiser schlicht als »Canaille« bezeichnet , die General von Hirschfeld und den koalierenden Kosaken unter General Alexander Iwanowitsch Tschernyschwew mit 8.500 Mann zu Hilfe kam. Ohne ihre Unterstützung hätten die 10.000 gutausgebildeten französischen Soldaten unter General Jean Baptist Baron Girard, der mit seinen Bataillonen von Magdeburg Richtung Berlin zog, um die »Armée de Berlin« zu unterstützen, wahrscheinlich leichtes Spiel gehabt. Dennoch hatten die Preußen den Sieg wohl weniger der tapferen Landwehr als dem Wetter und zwei unplanmäßigen Ereignissen zu verdanken, die ihnen zu Hilfe kamen.

Zum einen hatte von Hirschfeld seine Mission nicht erfüllen können. Der General der Preußen hatte den Auftrag gehabt, die aus Magdeburg anrückende französische Verstärkung für die napoleonische Berlin-Armee aufzuhalten, die gegnerischen Truppen aber irgendwie weit verfehlt, und jetzt trieb er sich mit seinen Soldaten gerade in der Nähe von Belzig herum. »Bis Ziesar war er mit seinen (&) umfassenden Landwehrregimentern marschiert, ohne auf feindliche Truppen zu stoßen. Als er schließlich zurück in Richtung Belzig marschieren ließ, traf er unverhofft auf das Biwaklager des Korps Girard.«

Zum anderen nämlich hatten auch die Franzosen ihren Auftrag nicht erfüllen können und dekorierten nach der Kunde von der verhängnisvollen Nachricht von der Niederlage bei Großbeeren unnötig die Landschaft. Eher aus Verlegenheit als aus strategischer Überlegung entschlossen sie sich zum Biwakieren zwischen dem Hagelberg und Lübnitz, und da sie hier, weit vom eigentlichen Kriegsschauplatz entfernt, »keine gegnerischen Aktivitäten erwarteten«, trafen sie auch keine Maßnahmen zu ihrer Verteidigung. Da aber kam der bislang eher sieglose General Hirschfeld des Weges, dachte sich, daß er sich ein derartiges Schnäppchen nicht entgehen lassen könne, und blies zum Angriff. So nahm »die ungeplante Schlacht, in der 22.000 Männer aufeinander einschlugen, (...) ihren grausamen Verlauf«. Annähernd die Hälfte der Soldaten bezahlte Hirschfelds Entschluß mit dem Leben.

Die im Kampf noch unerprobten Landwehrmänner der Preußen verloren angesichts des Gemetzels gerade den Mut, als plötzlich Kosaken heranpreschten, die »auf der Burg Eisenhardt einquartiert waren und nur beiläufig von der unweit tobenden Schlacht erfahren hatten. Als nun gar die mit den Franzosen verbündeten Rheinbundtruppen, zu denen auch sächsische Bataillone gehörten, zum einstigen Gegner überliefen, war die Hagelberger Schlacht zugunsten der Preußen entschieden.«

Es war eine gemeine Niederlage. Denn das Städtchen Belzig, gar nicht weit vom 200 Meter hohen Hagelberg entfernt, war zuvor fest in französischer Hand gewesen, quasi ein Vorposten Napoleons auf dem Weg nach Berlin. Noch im Juni hatten die braven Belziger der napoleonischen Grande Armée zugejubelt, die durch ihre Gassen zog, und als die Franzosen am 27. August auch die Schlacht am Hagelberg zu verlieren schienen, war das für die Belziger kein Grund zum Feiern. Mit Sorge sahen sie die anwachsenden Leichenberge vor der Kirche. Am Ende hatten

7.000 französische Soldaten ihr Leben im Regen gelassen, während die Preußen und ihre Verbündeten nur 1.300 Gefallene zu beklagen hatten.

Nach der gewonnenen Schlacht von Hagelberg zogen die verbündeten Kosaken  quasi zur Belohnung für ihre Dienste  ins untreue Belzig, plünderten es aus und wollten es zum guten Schluß »an allen vier Ecken entzünden«. Denn noch immer war »Belzig für die Preußen und Russen feindliches Gebiet, der befestigte Vorposten des mit Napoleon weiterhin verbündeten Königreiches Sachsen gen Potsdam und Berlin. Belzig kam erst mit dem Wiener Kongreß 1815 vom grün-gelben Rautenkranz unter den roten Brandenburger und schwarzen Preußischen Adler«. (Klaus Bruske, Berliner Zeitung)

Doch als man 1913, und anläßlich des 100jährigen Jubiläums, in Belzig der Schlacht am Hagelberg gedachte, gab man sich stolz. »Alles, was 1913 im Kreis Zauch-Belzig der Provinz Brandenburg Rang und Namen hatte, war aufs alte Schlachtfeld geeilt. Sogar der Kaiser gedachte höchstselbst huldvoll und telegrafisch der schwarzen Landwehrmänner unter Befehl des königlich-preußischen Generalmajors Karl Friedrich von Hirschfeld. Die lokale Presse schwärmte.« Der einstige Jubel, mit dem die Belziger die französischen Truppen begrüßt hatten, war jetzt vergessen.

Heute hat man in Belzig andere Sorgen. Man streitet längst nicht mehr über Russen oder Franzosen. Man streitet über den Hagelberg. Er soll, so zumindest steht es auf einer Tafel, mit 201 Metern die höchste Erhebung Brandenburgs sein. Und darauf ist man stolz. Eine vor wenigen Jahren von einem Heimatverein initiierte Messung allerdings ergab, daß der Berg lediglich 200 Meter hoch ist, der Kutschenberg aber, der zuvor nur 199 Meter maß, soll mit den Jahren um zwei Meter gewachsen sein. Das wollten die Belziger nicht auf sich sitzen lassen und ließen kürzlich nochmals nachmessen. Das für die Belziger niederschmetternde Ergebnis von 200 Metern und 24 Zentimetern im Gegensatz zu den 200 Metern und 70 Zentimetern des Kutschenberges im Spreewald begründet der zuständige Amtsleiter in Belzig mit der Schlacht von Hagelberg, und damit, daß den Berg so viele Touristen bewandern. »Wenn sich jeder einen Erinnerungsstein mitgenommen hat, schrumpft der Berg«, sagt Amtsleiter Grund.


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