November 2005 - Ausgabe 72
Strassen, Häuser, Höfe
Axel Springer Straße von Martin Blath |
1912: Im heutigen Hamburger Stadtteil Altona wird Axel Caesar Springer geboren, eine der schillerndsten und politisch einflußreichsten Verlegerpersönlichkeiten Europas. Der berufliche Weg des Knaben scheint von Anfang an vorgezeichnet, denn Vater Hinrich Andreas Theodor Springer ist Verleger der Altonaer Nachrichten und Inhaber des Verlags Hammerich & Lesser. Der Sohn möchte aber keinesfalls in die Fußstapfen seines Vaters treten und dessen Betrieb übernehmen, sondern ein bekannter Sänger werden. Doch der ungeliebte Vater setzt sich am Ende durch: Im Alter von 16 Jahren verläßt der Quartaner das Gymnasium ohne Abschluß und tritt zur Lehre bei den Papierfabriken Sieler & Vogel sowie in der Druckerei des Vaters an. Anschließend volontiert Springer bei der Bergedorfer Zeitung und im Wolffschen Telegrafenbüro. 1933 ehelicht der unwiderstehliche Frauenheld seine Jugendliebe, die Kaufmannstochter Martha Else Meyer, die bald darauf Tochter Barbara zur Welt bringt. Sechs Jahre später geht die Ehe in die Brüche, Axel heiratet das Berliner Mannequin Erna Friede Berta Holm. Der Grundstein zur beispiellosen Karriere des gescheiterten Sängers wird 1941 gelegt: Axel Springer wird Gesellschafter im Verlag von Hinrich Springer. Nach dem Krieg geht es Schlag auf Schlag: Am 1. Juli 1946 gründet er die Axel Springer GmbH und die britische Militärregierung erteilt ihm die Lizenz zur Herausgabe der Zeitschrift Constanze. Am 14. Oktober desselben Jahres erscheint das Hamburger Abendblatt die erste überparteiliche Zeitung im Nachkriegsdeutschland. 1950 beginnt der Bau des Hamburger Verlagshauses, die Hör Zu erreicht eine Auflage von einer Million Exemplaren. Die Stunde der von Axel Springer selbst konzipierten Bild-Zeitung schlägt am 14. Juni 1952 mit einer Startauflage von 500.000 Exemplaren. Im September erweitert Springer sein Imperium, indem er 75 Prozent eines Pakets erwirbt, zu dem Die Welt, Die Welt am Sonntag und Das Neue Blatt gehören. Bild und Hör Zu entwickeln sich in atemberaubendem Tempo und erreichen 1957 jeweils eine Auflage von mehr als drei Millionen. Erster Chefredakteur der Welt wird der Berliner Publizist Hans Zehrer einer der wichtigsten Schreibtischtäter der Weimarer Republik, der den Nationalsozialisten mit seinen Pamphleten zur Macht verholfen hatte. Mit ihm gemeinsam reist Springer, der bekennende Kommunistenhasser und selbsternannte Retter des Vaterlandes, nach Moskau, um Chruschtschow von seinem Plan zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten zu überzeugen. Das Ergebnis des Gesprächs fällt dürftig aus: ein Interview in der Welt. Doch an Zehrer werden sich vor allem die Studenten wenige Jahre später wieder erinnern. Als Springer 1960 mit dem Bau des Verlags- und Druckereigebäudes in Kreuzberg beginnt, hat er bereits die Mehrheit am Ullstein-Verlag incl. BZ und Berliner Morgenpost. 1962 gibt er der inzwischen vierten Ehefrau Helga Alsen das Ja-Wort, und der spätere Regierungssprecher Peter Boenisch wird Chefredakteur der Bild-Zeitung, die eine Auflage von fünf Millionen erreicht. Er kauft den Münchner Verlag Kindler & Schiermeyer sowie die Zeitschriften twen und Kicker. Ebenfalls in diese Jahre fallen die Entwicklung des Magazins Eltern, von dessen dritter Ausgabe bereits 700.000 Hefte verkauft werden, Springers erste Reise nach Israel, wo er 3,6 Millionen Mark für das Israel-Museum spendet und die Scheidung von Helga Alsen. Zur neuen Lebensgefährtin kürt er die junge Kindergärtnerin Friede Riewerts, die nach dem Tod ihres Mannes als Mehrheitseignerin dem größten deutschen Zeitungsverlag vorstehen wird. »Es ist wie im Märchen vom Aschenputtel. Ein König verliebt sich ins Kindermädchen, er macht es zu seiner Königin, und als er stirbt, erbt sie sein Reich« (Ernst Elitz). 1967 verlegt der König seinen Amtssitz von der Elbe an die Spree, wo er selbst seit längerem wohnt. In Kreuzberg aber weht dem Medienzar, der für seine kleinen Angestellten doch immer so ein großes Herz hatte, ein scharfer Wind entgegen. Unter dem Motto »Enteignet Springer« zielen die Studentenproteste immer deutlicher auf den Verlag und seinen Inhaber. Nach dem Schah-Besuch in Berlin, bei dem der persische Geheimdienst wahllos auf die Studenten einprügeln darf und der Student Benno Ohnesorg von der Polizei erschossen wird, eskaliert die Gewalt. Den Boden dafür hat die Springer-Presse bereitet. Bereits 1966, nach der ersten Berliner Demonstration gegen den Vietnamkrieg, eröffnet sie eine bis heute im Nachkriegsdeutschland einmalige mediale Hetzkampagne. Parolen wie »Kein Geld für langbehaarte Affen«, »Eiterbeulen« oder »Abgrund von Gesinnungslumperei« sind keine Ausfälle einzelner Redakteure, sondern Direktive vom Chef des Hauses. 1968 erreichen die Proteste ihren Höhepunkt: Nach dem Attentat auf Dutschke kommt es zu blutigen Straßenschlachten vor dem Verlagsgebäude. Die Studenten skandieren: »Springer schoß mit«, immer häufiger vergleicht man Springers Propaganda mit den Hetzkampagnen der Nazis gegen die Juden. Auch vor Gericht wird den Springer-Blättern BZ und BILD nun nachgewiesen, daß sie in ihrer Berichterstattung wissentlich die Unwahrheit schrieben und Informationen verfälschten. Springer ist zur Zielscheibe der Protestbewegung geworden, Bilder aus seiner Vergangenheit tauchen auf, die ihn während der Zeit seines Volontariats bei der Bergedorfer Zeitung in einer verdächtigen Uniform zeigen. Während die offiziellen Biografen bis heute stets von einer Vorliebe Axel Caesars für Husarenuniformen berichten, identifizierten die politisch alternativen Publikationen ihn gern in voller Nazitracht. Ein scharfer Wind bläst dem Medienzar auch aus anderer Richtung entgegen: Die »Günter-Kommission« des Deutschen Bundestags kommt zu dem Schluß, daß Pressekonzentrationen nach Art des Springer-Verlags die Pressefreiheit gefährden. Der Quasimonopolist, für den Gott und Vaterland eine natürliche Einheit bilden, verkauft daraufhin seine Zeitschriften Das Neue Blatt, Jasmin, Eltern, Bravo, twen und Kicker für insgesamt 105 Millionen Mark. Dennoch ist Axel Caesar 1977 der Besitzer des größten Zeitungsverlags des Kontinents. 1978 steigt der Umsatz auf 1,6 Milliarden Mark. Im gleichen Jahr wird Springer wegen seiner Verdienste um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden die Leo-Baeck-Medaille umgehängt. Es folgen Ehrungen über Ehrungen, u. a. die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Boston und des Konrad-Adenauer-Preises der Deutschlandstiftung. Doch den Fall der Mauer erlebt der unermüdliche Kämpfer für die Deutsche Einheit nicht mehr. Springer stirbt am 22. September 1985 im Alter von 73 Jahren im Berliner Martin-Luther-Krankenhaus. Literaturnachweis: Michael Jürgs: Der Verleger. Econ Ullstein List Verlag, München, 2001. |