Februar 2005 - Ausgabe 64
Kreuzberger Legenden
Kreuzberger Legenden (11): Die Gründung der KPD/RZ von Dr. Seltsam |
Ausgerechnet im »Max und Moritz«, das damit gar nichts zu tun hatte, filmte der WDR im Januar 2005 ein arrangiertes Wiedersehen der Grünen-Gründer mit Trittin, Ströbele und einigen anderen, die damit gar nichts oder nur wenig zu tun hatten. Der wahre Gründer der Grünen Partei, bzw. der Alternativen Liste in Berlin, war – auch wenn er das heute gerne verleugnet – eigentlich Otto Schily. Denn er war es schließlich, der das Büro in der Xantener Straße finanzierte.So zumindest erzählt es einer, der viele Tage des schönen Sommers im Jahr 1978 damit zubrachte, die Gründungsversammlung in der Neuen Welt an der Hasenheide vorzubereiten. Zusammen übrigens mit dem Stasiagenten Dirk Schneider, dem Lehrer Gerd Schneider, seinen heißen Freundinnen und einigen anderen suspekten Gestalten. Doch noch eine weitere Partei wurde in Kreuzberg gegründet, und zwar die wohl mit Abstand witzigste unserer sogenannten parlamentarischen Demokratie: die KPD/RZ. Das Parteiprogramm bestand aus einem nichtssagenden Konglomerat von CDU- und SPD-Phrasen, was ein simpler, aber genialer Trick war, um bei der sogenannten »Ernsthaftigkeitsprüfung« vor der Verwaltungskommission zu bestehen, der sich jede neue Partei zu unterziehen hat. Die offizielle Parteiadresse der neugegründeten Partei war die Wohngemeinschaft von Mao und Hansi in der besetzten Admiralstraße 17, aber die Zentrale war das Enzian in der Yorckstraße, das dem »Wahren Heino« gehörte, der netterweise auch willig und geduldig die Funktion des Spitzenkandidaten übernahm und auf jeder Wahlveranstaltung nacktärschig die Deutsche Nationalhymne furzte. Das Gründungsdatum war der 14. Februar 1989, wahrscheinlich Hansis Geburtstag. Die schon damals wankelmütige taz versuchte die Parteizulassung im letzten Moment zu verhindern, weil sie zu Recht eine Konkurrenz für ihre grünen Kiezfürsten befürchtete, und veröffentlichte vorzeitig das spaßige Aktionsprogramm, das in mehreren durchkifften Nächten entstanden war. Zur Strafe gründeten die KPD/RZler schnell das Gratis-Werbeblatt »RZ« und jagten der taz damit einen ordentlichen Schrecken ein, indem man so tat, als würde man den ganzen Kreuzberger Drogensumpf zu ihrem Kochstraßen-Einzugs-Büfett einladen. Ganz ohne Zutun der Partei kamen die Drogatis tatsächlich und futterten alles weg. »Rauchverbot in Einbahnstraßen, Förderung der Kreuzberger Zeppelin-Industrie, Zuzugsverbot für Schwaben«, das waren einige der grandiosen Highlights des Programms, die vom »Parteisprecher Bernhard Feder« bei jedem Interview mit bewunderungswürdiger Ernsthaftigkeit vorgetragen wurden. Dabei parodierte er die bürgerlichen Parteibonzen auf unnachahmliche Weise, und jeder ernsthafte Zuhörer mußte sich vor Lachen in die Hosen machen. Schade, daß Parteifreund Feder nicht Berufs-Kabarettist wurde. Die Liste der Namen jener, die in der KPD/RZ ihren Haß auf Politik und Politiker in vulgären Spaß verwandelten, ist lang und interessant: die Toten Hosen waren es, die einst die Parteihymne komponierten, die CD davon erringt auf dem Schwarzmarkt heute Höchstpreise. Es gab die legendären Teufelsberger mit Edith und Hotte, den Schwulen Matrosenchor, Szenen von Zweidrittel und dem frühen Frühschoppen – und alles war ziemlich politisch. Die gigantischen Parteiversammlungen im SO 36 waren komödiantische Veranstaltungen, mit nichts Heutigem zu vergleichen. Leider kam niemand auf die Idee, diese Events mitzuschneiden. Eigentlich müßte man mal beim Verfassungsschutz nachfragen. Denn die Shows waren so legendär, daß die Polizei die Oranienstraße sperren mußte, weil in den Saal keiner mehr reinpaßte. Wie es weiterging, in der nächsten Kreuzberger Legende! |