April 2005 - Ausgabe 66
Die Geschäfte
Karate, Kungfu & Co von Martin Blath |
Als Geschäftsinhaber ist Olaf Schönau in einer beneidenswerten Position: Er hat praktisch keine Konkurrenz. Das liegt am recht exotischen Sortiment, mit dem sein Laden »Asia-Sport & und mehr« in der Gneisenaustraße 8 bestückt ist. Wie der Name vermuten läßt, verkauft Schönau dort so ziemlich alles, was Menschen brauchen, die sich in ihrer Freizeit mit Karate, Kungfu, Aikido, Ninja, Jujutsu oder anderen asiatischen Kampfsportarten beschäftigen. Die 50 Quadratmeter sind bis an die Decke vollgepackt mit 2.500 Artikeln. Wie bitte: 2.500 Artikel auf 50 Quadratmetern? Nun gut, nicht alle Waren nehmen so viel Platz ein, wie die beiden wuchtigen Sandsäcke hinter der Eingangstür, auf die Thai- oder Kickboxer in den heimischen vier Wänden eindreschen. Die rund 400 Bücher etwa geben sich mit relativ wenig Raum zufrieden; dasselbe gilt für Zeitschriften, Videos sowie allerlei Kleinkram, der die Wände ziert. Seit fast 18 Jahren schart der gelernte Elektriker Olaf Schönau von morgens bis abends Kampfanzüge, Boxbandagen, Brustschützer, Gewichtsmanschetten, Holzschwerter und die entsprechenden Kunden um sich. Wie es dazu kam, ist schnell erzählt. Der 47-jährige widmet sich seit mehr als 20 Jahren mit Leidenschaft dem Kungfu. »Für mich kam nur eine Sportart in Frage, die über eine gewisse Ästhetik und einen mystischen Touch verfügt, die also nicht so hart und eckig wie beispielsweise Karate ist.« Vor der Eröffnung seines Ladens in der Gneisenaustraße waren er und seine Kampfgefährten beim Einkauf der dazu benötigten Sportartikel auf spezielle Versandhäuser angewiesen. Irgendwann fragte sich Schönau, warum man diese Sachen in dieser großen Stadt Berlin nicht kaufen kann. »Es gab zwei Möglichkeiten: Das rentiert sich nicht, oder bisher ist niemand auf die Idee gekommen.« Die Idee war damit geboren. Und ob es sich rentiert, wollte Olaf Schönau mit geringen Investitionen herausfinden. Das Ladenlokal in der Gneisenaustraße stand gerade leer, die Miete von 500 Mark war zu verkraften, und mit IKEA-Kellerregalen hielt sich auch der Aufwand für die Einrichtung in Grenzen. »Damals habe ich jeden Tag Ware bestellt, weil ich nicht so viel Geld auf einmal ausgeben wollte«, erinnert sich Schönau. Und weil er das eingenommene Geld nicht in die eigene Tasche wirtschaftete, sondern gleich wieder in den Einkauf steckte, wuchs das Sortiment langsam aber stetig auf seine heutige Größe heran. Ein wichtiger Bestandteil des Angebots ist inzwischen die eigene Hausmarke namens Asia-Sport, die rund 50 verschiedene, in Pakistan gefertigte Kampfanzüge und -hosen umfaßt. Die Tatsache, daß der Kreuzberger Laden gut läuft, führt der Kungfu- Kämpfer nicht ausschließlich auf seine beneidenswerte Position im Berliner Einzelhandel zurück: »Entscheidend ist die Beratung.« In dieser Hinsicht kann ihm selbst Karstadt Sport am Kudamm nicht das Wasser reichen, »obwohl die für ein Berliner Kaufhaus ein sehr gutes Angebot haben«. Im übrigen ist Olaf Schönau froh, daß es diesen »Konkurrenten« gibt, weil das Kaufhaus jene Kunden, deren Wünsche es nicht erfüllen kann, mit freundlicher Empfehlung in die Gneisenaustraße schickt. Die Auswahl in der Gneisenaustraße ist so groß, daß selbst ein zwei Meter messender Taekwondo-Sportler nicht mit einer Bestellung vertröstet wird, sondern den gewünschten Kampfanzug in seiner Größe gleich mitnehmen kann. Ein so spezieller Artikel liegt zwar unter Umständen schon mal ein Jahr unbeachtet im Regal. Aber das nimmt Schönau gerne in Kauf, wenn er ihn dafür im entscheidenden Moment hervorholen kann. Manchmal ziehen sich diese entscheidenden Momente auch über Wochen oder Monate hin. Da gab es zum Beispiel mal eine Phase, in der viele Jugendliche unter ihren normalen Hosen noch Satin- und Kickboxhosen trugen, weil das eben einfach cool war. »Die haben wir dann ohne Ende verkauft, bis der Trend plötzlich wieder von der Bildfläche verschwunden war.« Von diesen modischen Ausnahmeerscheinungen abgesehen, ist der Kreuzberger Kampfsportartikelhändler froh, daß sein Geschäft nicht von »roten Streifen im Frühjahr und grünen im Herbst« bestimmt wird. Artikel wie klassische Trainingsanzüge, deren Design sich manchmal schneller ändert als das Wetter, kommen bei ihm nicht in die Tüte. »Von Mode habe ich keine Ahnung, das überlasse ich den Kaufhäusern.« Karstadt Sport am Kudamm wird es ihm danken. Bisher einziger Flop in der 18jährigen Geschichte von Asia-Sport war der Versuch, sogenannte Nahrungsergänzungsmittel unters sportliche Volk zu bringen. Der Schuß ging nach hinten los, weil die durchschnittlichen Kampfsportler so was offenbar nicht zu sich nehmen, und Bodybuilder sich eher selten in die Gneisenaustraße verirren. Foto: Michael Hughes
Schönau ist in einer beneidenswerten Position. Er scheint sogar relativ unabhängig zu sein von den Auswirkungen der Massenarbeitslosigkeit. Mag sein, daß auch der eine oder andere seiner Kunden den Gürtel etwas enger schnallen muß, doch auf den geliebten Sport würde keiner so schnell verzichten. Allerdings hinterläßt die konjunkturelle Depression auch in der Gneisenaustraße erste Spuren. Waren dort in früheren Zeiten beispielsweise Boxhandschuhe aus Kunststoff tabu, steigt inzwischen der Bedarf nach der Alternative zur ledernen Ausführung, weil sie um die Hälfte billiger ist. Auch beim Kampfanzug muß es nicht mehr in jedem Fall die teuerste Ausführung sein. Doch egal, ob Leder oder Plaste: Schönau bleibt im Geschäft. Und solange die Kreuzberger kämpfen, geht auch für ihn die Welt nicht unter. |