Kreuzberger Chronik
April 2005 - Ausgabe 66

Essen, Trinken, Rauchen

Im Grünfisch


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von Michael Unfried

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Es gibt viele Fische. Fadendünne und dicke runde, es gibt Fische mit kugeligen Augen, dicken Lippen und immer griesgrämigen Mundwinkeln. Es gibt rote Fische, silberne, es gibt Fische in den schillerndsten Farben, und es gibt den Blaufisch. Auch den Grünfisch gibt es.

Aber der ist kein Fisch, sondern ein feines, schönes Restaurant am Chamissoplatz. So eines, wie es gerade noch fehlte. Keine Kneipe wie Heidelberger Krug oder Matto mit Flammkuchen oder Weißwürsten, kein Kultimbiß wie das bica mit duftendem Kaffee und duftendem Käse. Sondern ein richtig feines Restaurant mit feinen Weinen und feinen Speisen und feinen Preisen.

»Also, wir trinken diesen Rotwein für 13 Euro! Diesen Svevo Rosso Mezzo«, sagt ein nicht mehr ganz junger Mann, dessen schnodderige Sprache nur wenig mit der gedämpften Atmosphäre im #a#Grünfisch harmoniert. »Einen halben Liter?«, fragt der junge Wirt. »Und zwei Gläser!«, antwortet der Fremde. Dann wendet er sich an seine Begleiterin. »Du trinkst doch sicher Wasser, oder?«

»Ich ...«, stottert die junge Frau und blättert hilfesuchend in der Karte. »Ach, dieser Berliner Charme!«, sagt der Wirt vom Grünfisch und lächelt der jungen Frau sanft zu. Die ist inzwischen auf der Weinseite angekommen.

»Das hat mit Charme nichts zu tun!«, sagt der nicht mehr ganz junge Gast. »Die trinkt meistens Wasser oder Weißwein. Rotwein mag sie nicht!« »Ich nehme einen San Pellegrino«, sagt die Frau und lächelt den lächelnden Wirt an, »und einen kleinen Vorspeisenteller!« »Ich weiß aber nicht, ob wir dazu genug Geld in der Tasche haben!«,

sagt der laute Mann. »Das war schon wieder nicht sehr charmant!«, sagt der Wirt. »Charmant hin oder her, die Taschen sind leer. Oder hast Du noch etwas?« Der Freund auf der andern Seite kramt in den Taschen und zählt die Münzen in der Hand. »Dreivierzig«, verkündet er kleinlaut.

»Für die Vorspeise wirds schon reichen«, sagt die Frau, »ich habe
auch noch was!« »Alles klar«, lächelt der Wirt, der so höflich lächelt wie ein thailändischer Fürstensohn und auch sonst einem Thailänder nicht unähnlich ist, aber überhaupt nicht wie ein Thailänder spricht. Er spricht so tief und so gut deutsch wie der Bundeskanzler.

»Der fragt sich jetzt, wie diese schöne Frau zu uns Idioten an den Tisch kommt!«, sagt der mit der kleinlauten Stimme. Während die Männer nun darüber diskutieren, ob die Insel La Palma innerhalb der nächsten Tage oder doch erst in 80.000 Jahren im Meer versinkt, ob »Grünfisch« Frischfisch heißt und ob der Wirt dieses Lokals mit den vielen sizilianischen Weinen nun aus Thailand, Burma oder doch vielleicht Vietnam kommt, tritt eine exotisch schöne Kellnerin an den Tisch. Der Wirt, der Grünfisch und die Insel verschwinden augenblicklich von der Oberfläche. Die Schöne stellt lächelnd einen Teller und drei Gläser auf die Tischplatte und gießt die guten Tropfen in die glitzernden Gläser.

»Wirklich schönes Holz«, sagt der Laute, »überhaupt, alles sehr schön
hier. Sehr geschmackvoll.« »Danke«, sagt die Kellnerin. Die Drei sitzen noch lange im Grünfisch. An ihnen vorbei werden leicht dampfende Teller getragen mit großen, kleinen, roten und blauen Fischen, garniert mit Zimtstangen, Zitronengras und frischer Minze, mit lauter Köstlichkeiten. Aber es gefällt ihnen hier zwischen den Weinregalen, an den Edelholztischen, zwischen all den lächelnden Menschen. »Wir kommen wieder!«, sagt der Laute beim Bezahlen.

»Gerne«, sagt der Wirt. Aber so ganz sicher ist sich keiner der Drei, ob Vu Pham aus Vietnam das wirklich ernst meinte.


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