Oktober 2003 - Ausgabe 51
Essen, Trinken, Rauchen
Das Bistro im Sportlerheim von Michael Unfried |
Sportler sind hungrig. Und Sportler sind trinkfreudig, wenn nicht sogar durstig. Vor allem nach dem Sport. Es sei denn, sie sind Profis und haben sich zur Enthaltsamkeit verpflichtet. Dann trinken sie nur Wasser. Da man es in der dreistöckigen Komforthalle des Sportzentrums am Columbiadamm jedoch vor allem auf Freizeitsportler absieht, hat man neben den Tennis- und den Badmintonfeldern, der Sauna und dem Fitnessbereich auch einen extragroßen Raum der Gastronomie vorbehalten. Für die Lebenslustigen. Doch ist es mit der Lustigkeit nicht mehr so weit her wie im Gründungsjahr der »Turngemeinde in Berlin e. V.« anno 1884. Die jungen Leute schwingen sich heute gleich nach dem Sport wieder aufs Rad, um an den Schreibtisch zurückzukehren. Nur ältere Herrschaften finden sich nach getaner Körperarbeit im Bistro ein und ersetzen Schweiß durch Schultheiss. Zu viele Tische bleiben leer. Deshalb schaut der Wirt stets etwas übellaunig aus. Gleichgültig blickt er in die erhitzten Gesichter der Tennisspieler, auf ein lässiges Winken der Sportler reagiert er schon gar nicht mehr. Diese sportliche Flapsigkeit war ihm schon immer zuwider. Er hätte gerne eine ordnungsgemäße Bestellung. Ansonsten müssen die Gäste eben warten. Das tun sie dann auch. Bis ihre Geduld am Ende ist. Bis sich einer der müden Krieger mühselig aus dem Stuhl erhebt und zum Tresen geht, wo der Wirt schon seit Minuten regungs- und arbeitslos auf seinem Posten steht. Er sagt nicht viel, während der Sportler seine Bestellung aufgibt, nur ein Nicken am Ende des – na, sagen wir: Dialoges – signalisiert: Der Mann hat registriert. Dann dauert es nur noch wenige Minuten, bis der Wirt schweigend die Biergläser auf den Tisch stellt. Auch, wenn die Gäste zahlen möchten, verläßt der Wirt seinen Platz am Zapfhahn nur in seltenen Fällen. Es sei denn, um just in diesem Moment in die Küche zu verschwinden. Schließlich ist da ja auch noch seine Frau, und wenn oben, im »großen Mehrzwecksaal«, tatsächlich einmal eine größere Sportlerrunde einen Sieg feiert, dann hilft auch der Sohn mit aus. Der Sohn ist noch jung, viel jünger als die Sportler, doch sieht er dem Vater verblüffend ähnlich. Auch seine Beredsamkeit ist bereits ähnlich stark ausgeprägt wie die des Vaters. Die Stille führt manchmal zu Mißverständnissen zwischen den Sportlern und dem Wirt. Vor allem, wenn ein Mann nach dem Sport diesen »kleinen Hunger« verspürt. Dann schlägt er Seite 2 der Speisekarte, »für den kleinen Hunger«, auf. Da läuft ihm bei der Vorstellung von Buletten, Currywürsten, Kartoffelsalaten und dem Strammen Max schon ein wenig das Wasser im Munde zusammen. Für das jüngere, figurbewußte Publikum hält der Wirt des Bistros ein »Baguette mit Tomate und Mozarella« bereit, und für die »Salatfans« Gurken-, Tomaten-, Schafskäse- oder Thunfischsalat. Das ganz junge Publikum lockt er mit »Biene Maja’s Lieblingsessen«: 3 kleine Kartoffelpuffer mit Apfelmus. »Kater Carlo’s Leibgericht« besteht aus einer Portion Milchreis mit Zucker und Zimt, was angesichts der massigen Gestalt des Kater Carlo allerdings höchstens seine Nachspeise gewesen sein dürfte. Daß der Wirt jedoch nicht nur mit poetischen Namen locken und Speisen in die Mikrowelle schieben kann, sondern etwas von der Kunst des Kochens versteht, beweist die Kreation aus Matjesfilet mit Apfel-Meerrettichsauce und Bratkartoffeln. Jedenfalls wünscht »Ihre Familie Mönch« allen Gästen einen »Guten Appetit!« – Auch wenn die Sportler heutzutage nur noch bedauerlich wenig davon mitbringen ins Sportler-Bistro. <br> |