November 2003 - Ausgabe 52
Essen, Trinken, Rauchen
Casa Mirecules von Ina Winkler |
Silvo ist keiner, der gerade mal eben ein Lokal aufmacht, weil er irgendwie Geld verdienen muß. Silvo hat schon vor dreißig Jahren, als er auf der Suche nach seinem spanischen Vater die iberische Halbinsel abgraste, mit Kochen sein Geld verdient. Zuerst hatte er sich als Tellerwäscher in einem Lokal durchgeschlagen, aber als der Koch ausfiel, sagte er: »Kochen kann ich auch!« Das war auf Mallorca, 1971, »und das war so schön damals, das kann sich heute keiner mehr vorstellen. Jetzt sind da nur noch Verbrecher.« Seitdem ist er viel herumgekommen, kochte 1976 italienisch im »Petit Europa« am Kleistpark, eröffnete später eine Tapas-Bar in der Fichtestraße und noch später im Souterrain in der Körtestraße das »Casa Sardina«. Das Leben dort dauerte abends etwas länger als in anderen Kneipen, der kleine, aber treue Kreis der Genießer spanischer Gaumenfreuden trank und feierte, bis die Nachbarn und die Polizei mit vereinten Kräften das Lokal schließen ließen. Silvo zog aus, sich etwas Neues zu suchen. Er kam von den spanischen Weinen und der spanischen Küche einfach nicht los. Er fand einen Laden in der Fichtestraße, genau gegenüber vom »Fandango«. Aber das stört ihn nicht. Silvo weiß: er kocht besser. Und nicht nur er weiß das. Es hat sich inzwischen herumgesprochen, daß da jemand etwas versteht von den spanischen Würsten, Schinken, Weinen, Fischen… – Es dauerte auch nicht lange, bis sich herumgesprochen hatte, daß Silvo wieder ein Lokal eröffnen würde, und bis die ersten Bekannten vor der Baustelle standen und fragten, wann es denn wieder losginge. Silvo sagte, anfangs noch optimistisch: »Mittwoch!«. Doch am nächsten Mittwoch war es noch nicht soweit, es vergingen Monate, und während all dieser Monate erhielt jeder, der kam und fragte, immer die gleiche Antwort: »Mittwoch!«. Deshalb heißt das Lokal nun Casa Mirecules, - Haus Mittwoch. Im Haus sieht es aus wie einst in der Körtestraße: An den Wänden und im Flur stehen die Bilder, die sich beim zeitweiligen Galeriebesitzer und Antiquitätenhändler Silvo im Lauf seines Berliner Lebens angesammelt haben. »Ich hab hier Tiske, Vogt und Frank Rupp, Berliner Malergrößen«. Abends, wenn die Gäste lange genug auf eines der Bilder gestarrt haben, sagt dann plötzlich einer von ihnen, daß er gern dieses Bild da haben würde. Und dann sagt Silvo: »Alles, was hier ist, ist verkäuflich!« Nur die Flasche Wein aus Ibiza, die er kürzlich geöffnet hat, um ihn einmal zu kosten, die hat er selbst getrunken. »Den hab ich niemandem gegönnt.« Aber sonst öffnet er jede Flasche, die er in seinen vielen Regalen liegen hat, ob das nun der 1987er Gran Irache ist, den er für 6,50 das Glas ausschenkt, oder der Landwein zu acht Euro den Liter. Im Casa Mirecules verkommt nichts zu Essig, Silvo kauft keine schlechten Weine. Und was übrigbleibt in den Flaschen, das trinkt er eben selbst – mit seinen Freunden. Das sind nicht wenige. Schon wegen der Blutwurst mit Sauerkraut, oder wegen des Curryhuhns aus Valencia, oder wegen der Albondigas, dieser köstlichen Fleischbällchen. Oder wegen der Paella, die er immer frisch zubereitet, und die im Ruf stehen soll, die derzeit beste in Berlin zu sein. Doch nicht nur wegen des Essens und der Weine kommen sie. Manche kommen auch wegen Silvos unendlichen spanischen Geschichten. Denn wenn es einen Unterschied gibt zwischen einem »echten« Spanier und einem »deutschen« Spanier, dann ist es der: Die echten Spanier erzählen nicht so gern und so viel von Spanien. <br> |