Juli / August 2003 - Ausgabe 49
Der Kommentar
Summer in the City von Thomas Heubner |
Moskau, Kreml: Der persönliche Referent des KPdSU-Generalsekretärs kommt aufgeregt ins Arbeitszimmer seines Chefs geflitzt: »Genosse Breshnew, auf dem Roten Platz sitzen 10 Leute und essen!« – »Na und«, winkt der mächtigste Mann des Ostblocks lässig ab, »die Sowjetunion ist ein freies Land, laßt sie dort sitzen und essen!« Am nächsten Tag die gleiche Szene. »Vor dem Kreml hocken 100 Leute und essen«, jammert Breshnews Berater. »Sollen sie tun, was ihnen Spaß macht«, verfügt der KP-Chef gelassen. Am dritten Tag wieder der Adjutant, völlig aufgelöst: »Vorm Mausoleum kauern 1000 Leute und speisen!« – »Na und«, stöhnt Breshnew unwirsch, »was ist daran so besonderes?« Darauf der Lakai resignierend: »Die essen alle mit Stäbchen …!« An den Witz aus alten Zeiten, wo zwischen Sowjets und Chinesen nichts mehr ging, wurde ich erinnert, als unser Leser Michael Jürgens in unsere Redaktion trabte, um sein Leid zu klagen: Diese Kreuzberger Nächte im Viktoriapark, Trommeln und Lagerfeuer, Müll und Vandalismus. Und vor allem: Mit jedem Sommerwochenende wabern dichtere Rauchschwaden über das Schinkel-Denkmal hinweg. Hunderte Anwohner fühlen sich arg belästigt, aber hilflos. Dutzende ABM-Kräfte werden zu Wochenbeginn der Müllberge kaum noch Herr, derweil die Ratten immer zahlreicher und fetter werden. Mächtige Freizeitkollektive aller Couleurs transportieren ihre Grill- und Camperutensilien schon mal mit dem Pkw auf die Liegewiese, vermutlich rollen im Juli die ersten Trucks bis zum Schinkel-Denkmal. Offiziell abgesegnet von der Bezirksversammlung. Nachzulesen als Drucksache 229-II oder auf dem Hinweisschild des Grünflächenamtes im Park »Grillplatz. Bitte sauberhalten.« Herr, wirf Hirn vom Himmel! Die berühmten Ratsherren aus Schilda sind dagegen Waisenknaben. Foto: Dieter Peters
Ich frage mich nur, warum die BVV so lasch und inkonsequent ist. Wenn schon, denn schon – laßt doch einfach alle Interessengruppen ihre Claims im Viktoriapark abstecken: ein permanentes Oktoberfest für die Schausteller, ein Übungsgelände für BMXler und Mountainbiker, Trainingsplätze für Kampfhunde, ein feuersicheres Areal für die Flammenwerfer und die Pyromanen, ein Freikörperkulturgelände mit Sichtschutz gegen die neugierigen Blicke scheinbar zufällig vorüberbummelnder Spanner. Und die asphaltierten Wege würden sich doch eigentlich prima als Go-Kart-Rennbahn eignen. Ach, scheißt doch einfach auf Hermann Mächtig und Karl Friedrich Schinkel! <br> |