Dez. 2003/Jan. 2004 - Ausgabe 53
Strassen, Häuser, Höfe
Dynasty - der Hohenzollernclan (2): Die Friedrichstraße von Michaela Prinzinger |
Friedrichs Mißtrauen gegenüber seiner Stiefmutter Dorothea verstärkte sich in all den Jahren, die er mit seiner Frau am Berliner Hof des Großen Kurfürsten verbrachte. Als sein kleiner Sohn im Alter von vier Monaten starb und Charlotte auf der Reise nach Hannover im Hause eines Dorfschullehrers einen weiteren Jungen tot zur Welt brachte, verbreitete sich das Gerücht, Friedrich könne keine lebensfähigen Nachkommen zeugen. Auch in diesem Gerücht sah Friedrich ein Resultat von Dorotheas Ränkespiel. Und als wenig später sein geliebter jüngerer Bruder Ludwig starb, beschuldigte Friedrich Dorothea, einen Mord mit einer vergifteten Orange inszeniert zu haben, obwohl sich schon bald herausstellte, daß der Bruder am Scharlach verstorben war. Nach dem Tod des Großen Kurfürsten brachte Sophie Charlotte jedoch mitten in den Trauerfeierlichkeiten Friedrich Wilhelm zur Welt. Ihr Ehemann trat die Nachfolge seines Vaters an, und Friedrichs alter Lehrer Danckelmann stieg zum Premierminister auf. Danckelmann jedoch hatte bald Sophie Charlottes Unmut auf sich gezogen, da er und seine sechs Brüder in ihren Augen allzu großen Einfluß auf Friedrich ausübten. Als er ihre Hofhaltung kritisierte und einen Sparkurs verordnete, war ihre Geduld erschöpft, denn Sophie Charlotte liebte Kleider, Schmuck und Edelsteine. Danckelmann mußte abdanken, und im Land sprach man von der »Affäre Danckelmann«. Sophie Charlotte zog sich einigermaßen ernüchtert aus der Politik zurück und widmete sich nur noch den Salongesprächen mit ihren hochgelehrten Gästen im Musenhof Lützenburg, dem späteren Schloß Charlottenburg. Bei einer Spazierfahrt war ihr das Örtchen Lützow oder Lietzen im Westen des Tiergartens aufgefallen. Friedrich kaufte es samt dem dazugehörigen Landgut und schenkte es der Kurfürstin. 1699 wurde der erste Bau feierlich eingeweiht – halb Berlin war zugegen, um das Feuerwerk anzusehen. Sophie von Hannover war vom Rückzug Charlottes aus der Politik enttäuscht. Sie hatte ihre Tochter bereits die Zügel der brandenburgischen Regierung selbst in die Hand nehmen sehen, »um der Welt in Zukunft zu beweisen, daß sie mehr kann als nur Klavierspielen«. So lebte man sich auseinander, und die Gegensätze zwischen Friedrich und Sophie Charlotte wurden nicht kleiner. Ein französischer Gesandter beschrieb den Kurfürsten mit folgenden Worten: »… der eitelste Fürst von der Welt, ein mit Orden übersäter Kleiderprotz, von fürchterlicher Verschwendungssucht, dabei mißgestaltig und durch einen mächtigen Landsknechtschnurrbart entstellt.« Der Denker Leibniz dagegen traute im Hinblick auf Sophie Charlotte dem weiblichen Geschlecht einiges zu: »Ich habe oft gedacht, daß Frauen von Geist mehr als die Männer geeignet sind, die schönen Wissenschaften zu fördern. Die Männer, beansprucht von ihren Geschäften, denken meistens nur ans Notwendige; während die Frauen, die ihr Stand der Mühen und Sorgen enthebt, freier und fähiger sind, ans Schöne zu denken. Wenn man sie, statt ihren Geist auf die Toilette zu beschränken, zeitig genug auf die solidere und beständigere Schönheit und Zier lenkte, die sich in den Wundern Gottes und der Natur findet, so wären ihre Wißbegier und ihr Feingefühl nützlicher für das menschliche Geschlecht und würden zum Ruhm Gottes mehr beitragen als alle die Pläne von Eroberern, die nur auf Entzweiung und Zerstörung hinauslaufen.« 1700 erfolgt die Krönung in Königsberg, wobei Friedrich I. die Krone sich und seiner Ehefrau eigenhändig aufs Haupt setzte. Sophie Charlotte war die langweilige Zeremonie lästig, sie wäre lieber an ihrem Musenhof geblieben. Während der Predigt begann Sophie Charlotte an ihrem Kleid zu fummeln und sie zog nach langem Suchen ihre Schnupftabakdose heraus. Zum Staunen der Anwesenden und zum Entsetzen ihres Gatten nahm sie eine Prise nach der anderen. Dennoch fiel Friedrich in Ohnmacht, als er im Jahre 1705 vom plötzlichen Tod Charlottes erfuhr. Er mußte zur Ader gelassen werden und verbarrikadierte sich tagelang in seinem Zimmer. Der Enkel, Friedrich II., bemerkte über seine Großmutter: »Sophie Charlotte war eine Fürstin von hervorragendem Verdienst. In ihr vereinigten sich alle Reize ihres Geschlechts mit geistiger Anmut und aufgeklärtem Verstand. Diese Fürstin führte in Preußen den Sinn für Geselligkeit, die wahre Höflichkeit und die Liebe zu den Künsten und Wissenschaften ein.« Doch auch seinem Großvater, den er stets geringer schätzte als seine Großmutter, billigte er schließlich zu, durch die Erlangung der Königswürde für Preußen ein Meisterwerk der Staatskunst vollbracht zu haben. Zum | | |