Dez. 2003/Jan. 2004 - Ausgabe 53
Die Literatur
Gabriele Bärtels: »Ich bin ein Kleinkrämer wie mein Vater« von Gabriele Bärtels |
Fünf Uhr am Nachmittag, der erste Kunde klingelt. Früher hatte Holger den ganzen Tag geöffnet, das hat er geändert. Er ist nicht mehr für jeden da, der unbedingt und sofort etwas zu kiffen braucht. Von fünf bis sieben, montags bis sonntags, davor will er seine Ruhe und danach will er pokern. Holger öffnet und der Kunde tritt ein. Er geht geradewegs ins Wohnzimmer, würde nicht wagen, einen Blick in die Küche zu werfen, die Tür des Schlafzimmers ist immer geschlossen, und die Toilette hat er nie benutzt. Er setzt sich an den Tisch, auf dem eine kleine Menge Gras liegt, in Tüten abgepackt. In schräger Schrift steht 10, 20, 30 darauf, das ist der Preis, nach Gewicht. Hat Holger mit der Federwaage abgewogen, das tut er auch weiterhin, während der Kunde sich eine Zigarette anzündet, die erste nach der Arbeit. »Grünen« will er haben und meint damit grünen Maroc. Schweren, öligen Schwarzen aus Pakistan (»Einen Joint davon, und Du liegst auf dem Sofa, als wärst Du eine Wolldecke.«) will außer ein paar Junkies keiner mehr haben. Der Kunde ist Stammkunde, seit zehn Jahren schon. Holger weiß, dass er Geschichte studiert hat, danach lange rumgegammelt hat. Jetzt ist er Regisseur und verdient ganz anständig. Weiterlesen in: HOMME BIZARRE, Lebensgeschichten und Portraits, MAAS Verlag Berlin, 148 S., 2003 <br> |