Dez. 2003/Jan. 2004 - Ausgabe 53
Der Kommentar
Das goldene Dreieck am Hermannplatz von Achim Bose |
Das hätte es in den 70er Jahren nicht gegeben: Diese Anhäufung von Kapital, diese Konzernfestungen in Kreuzberg! Auch wenn sie eher am Rand des Bezirkes liegen, schon an der Grenze zu Neukölln, wo die Depression bekanntlich stärker ist als der Widerstand. Auch das Springer-Hochhaus lag schließlich am äußersten Ende des aufmüpfigen Stadtbezirks. Aber kaum jemand meldete sich zu Wort, als die Firma Bauhaus vor zwei Jahren im Hinterhof ein gewaltiges Einkaufszentrum für ihre kreativitätssüchtigen Hobbybastler zu bauen begann und mit dem Betonklotz klammheimlich noch ein Stückchen von der grünen Hasenheide abknabberte. Auch an der Firma Karstadt am Hermannplatz scheint sich niemand zu stören. Nur ein einziges mal wurde der Konsumtempel zur Zielscheibe eines Bombenattentates, und das war im 2. Weltkrieg. Aber das Haus hatte man schnell wieder aufgebaut, Arbeitskräfte gab es nach dem Krieg genügend, auch wenn sie meist weiblicher Natur waren. Und so steht es da noch heute und regiert mit seinen zweifelhaften Verkaufsmethoden, seinem Schnäppchenmarkt mit Billigprodukten im Keller und seinen mit luxuriösen Preisen ausgestatteten Waren in den glänzenden Verkaufsetagen für die Mittelschicht den Markt am Hermannplatz. Zeichnung: Nikolaos Topp
Angestachelt von einem Optimismus versprühenden Ron Sommer an der Spitze des Konzerns, unterstützt von den Medien und den Politikern, liefen die Deutschen scharenweise in die Falle, zu Hunderttausenden kauften sie das wertlose Wertpapier. Heute ist es weniger wert als am Tag seiner Einführung vor sieben Jahren, und heute hat der Konzern 60 Milliarden Euro Schulden. Hielte Vater Staat nicht schützend die Hand über die Telefongesellschaft, sie wäre längst bankrott, und der Klotz an der Hasenheide längst verkauft. Das Haus ist ein Stein des Anstoßes. Aber niemand stößt sich daran. Kein Kreuzberger protestierte. Der eine nicht, weil er sich für seine Dummheit schämte. Und der andere nicht, weil er schon aus Prinzip nichts von Aktien und Aktionären halten konnte. Im alternativen Kreuzberg. <br> |