September 2001 - Ausgabe 30
Strassen, Häuser, Höfe
Widerstand auf Straßenschildern (3): Moritzplatz - Graf Nassau von Oranien von Werner von Westhafen |
Einmal im Jahr stehen sich am Oranienplatz die streitenden Mächte des Staates und Volkes gegenüber. Dann sprechen Politiker und Medien auch im Jahr 2001 noch von Schlachten, die geschlagen werden müssen. Da diese nicht mehr auf Feldern, sondern zwischen den Häusern stattfinden, heißen sie Straßenschlachten. Moritz Nassau von Oranien sähe den Auseinandersetzungen auf dem Platz seines Namens womöglich nicht ohne Freude zu. Schlachten waren ihm stets sympathisch. Sie brachten ihm unvergänglichen Ruhm, denn der Mann mit dem unscheinbaren Namen war ein erfolgreicher Befreiungskämpfer. Zwar ging es ihm weniger um die Autonomie Kreuzbergs, sondern lediglich die Befreiung der Niederlande von einer langjährigen Tyrannenherrschaft, doch es war ein zäher, 88 Jahre dauernder Kampf, der den Kreuzberger Autonomen gefallen hätte – und die fünf Sprößlinge aus dem Hause Nassau haben den Kampf gewonnen. Am Anfang des langen Krieges stand eine 1579 im Norden der Niederlande gegründete Kampfgemeinschaft gegen die Spanier und König Philip II., genannt die »Union von Utrecht«. Am Ende standen die sieben siegreichen aufständischen Provinzen, vereinigt zu einem souveränen Staat: dem heutigen Holland. Moritz war der Sohn von Wilhelm I. von Oranien. Genannt »Der Schweiger«. Denn wahre Männer machen nicht viele Worte, sie schreiten zur Tat. Der »Schweiger« war der Anführer der Union von Utrecht, und er führte ein bewegtes Leben. Mehrmals war der Stratege des Widerstandes Zielscheibe von Attentaten, und mehrmals gelang es erst im letzten Moment, ihn zu warnen. Eines Tages aber – der Vater saß gerade mit Sohn Moritz beim Essen – näherte sich ein junger Mann unter dem Vorwand, eine Nachricht übergeben zu wollen. Die Kugel des von einem spanischen Kaufmann angeheuerten Killers durchdrang den Hals des Vaters und fuhr durch die Kinnlade wieder heraus. Wilhelm stürzte nicht zu Boden, sondern blieb standhaft und rief seiner Leibgarde noch zu: »Tötet ihn nicht, ich vergebe ihm meinen Tod.« Zu spät, die Leibgarde hatte den Attentäter bereits in Einzelteile zerlegt. Wilhelm stattdessen überlebte, auch wenn die weit aufklaffende Wunde sich vorerst nicht schließen ließ, denn der Blutstrom war so kräftig, daß man Wilhelm mit dem Verband zu strangulieren drohte. Also legten Diener tagelang im Schichtdienst ihre Hände auf die Wunde, bis diese sich schloß. Moritz’ Mutter aber verstarb kurze Zeit später – an dem stetigen Kummer, den ihr der Gatte bereitete. Die Spanier machten dem Schweiger das Leben nicht nur schwer, sie verkürzten es auch. Am 10. Juli 1584 lauerte ihm ein fanatischer Katholik, angestachelt von den Spaniern, in einer Nische des Treppenhauses auf und feuerte aus nächster Nähe drei Schüsse in Wilhelms Brust. Der Mörder wurde zum Tod vor dem Rathaus verurteilt, wo »ihm erst die rechte Handt, mit welcher er diese Verraehterische und Moerderische That vollbracht / Mit einem gluehenden Eysen geschruempffet und abgebrandt / demnach sechsmal mit glueenden Zangen an underscheydtlichen Oertern deß Leibs / als Armen / Beinen / und andern fleischlichten Gliedern gepetzet / oder gerissen / und dann also lebendig in vier Theil von unten auff beginnet geviertheilt / sein Bauch aufgeschnitten / sein untrews Herz herauß genommen / und in sein des Mörders Angesicht dreymal geschlagen werden / alsdann der Kopff abgehaven / die vier Theil des Coerpers …« Das Schauspiel der Hinrichtung des Vatermörders dürfte für den siebzehnjährigen Moritz ein prägendes Erlebnis gewesen sein. Moritz schwor, niemals ein Freund der Spanier zu werden, und beschloß, in des Vaters Fußstapfen zu treten und den Kampf um die Unabhängigkeit fortzusetzen. Wobei sich Moritz, ganz wie sein Vater, eher durch Kampfgeist auszeichnete als durch Beredsamkeit. Obwohl Moritz an der Universität von Heidelberg und der Hochschule von Leyden studiert hatte und, wie ein englischer Reisender schrieb, »erstaunlich reif für seine 16 Jahre« war, war er doch noch »herber und zurückhaltender als sein Vater«. Das imponierte und führte dazu, daß der junge Moritz schon als 17jähriger zum Statthalter zweier großer aufständischer Provinzen gewählt wurde: Seeland und Holland. Vier Jahre später kamen Gelderland, Overijssel und Utrecht hinzu, sowie der Oberbefehl über die Marine der vereinigten Provinzen. Und schon im Alter von 22 Jahren stand Moritz Nassau von Oranien an der Spitze der Landstreitkräfte und erkämpfte sich als Heerführer jenen Ruhm, der nicht unwesentlich dazu beigetragen haben dürfte, daß man 1841 bei der Bebauung des Köpenicker Feldes einem kleinen Platz in der Mitte der Oranienstraße seinen Namen gab. Moritz war ein Held! Als die Spanier Schwierigkeiten in Frankreich bekamen und einen Teil ihrer Truppen aus den Niederlanden abzogen, rückte Moritz Nassau von Oranien nach. Feldzug um Feldzug fielen nun die spanischen Provinzen an die Widerständler, bis zur letzten royalistischen Hochburg im Norden der Niederlande. Seinen größten Sieg errang der Feldherr 1597 auf der Heide bei Turnhout, wo sich das Heer der Spanier »wie eine Schafherde zusammengezogen« hatte. Mit einer kleinen Truppe von Kämpfern überfielen die Aufständischen das Lager. 2000 spanische Soldaten starben auf dem Feld, Moritz hingegen verlor 10 Männer in diesem Kampf. Foto: Nikolaos Topp
Moritz, der Sohn des Schweigers, hat diesen Sieg nicht mehr erlebt. Sein Bruder führte den Kampf zum siegreichen Ende. Moritz Nassau von Oranien starb im April 1625 an einem Leberleiden, ohne offizielle Nachfahren zu hinterlassen. »Die Liebe zum Degen sollte ihm nicht gestatten seine Inclination mit einer Gemahlin zu teilen«, schreibt ein Chronist um 1700. Und auch, was dieser englische Reisende einst von dem Sechzehnjährigen schrieb, traf noch am Ende seines Lebens zu: Moritz war noch herber und zurückhaltender als der Vater. Selbst das winzige Jawort war Moritz zu eloquent. Er war ein Mann der Taten. Was vier uneheliche Söhne und drei uneheliche Töchter beweisen. Literaturnachweise: Klaus Vetter, »Wilhelm von Oranien«, Akademie Verlag, Berlin, 1987; Günther Kleineberg, »Wilhelm Nassau-Oranien«, Museum Wiesbaden Zum – |