Kreuzberger Chronik
Juni 2001 - Ausgabe 28

Das Essen

Die »serene Bar«


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von Horst Richter

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Wenn sich Johannes Barthelmes etwas in den Kopf setzt, dann ist es ihm so schnell nicht wieder auszutreiben. Und wenn er etwas in die Hand nimmt, dann scheint etwas daraus zu werden. Zuerst war es das Tenor-Saxophon, dem er ganz eigene Töne entlockte, und mit dem er sich bis auf die großen internationalen Festival-Bühnen hinaufspielte. Nach aufregenden Produktionen mit berühmten Musikern legte er nach einer Südostasientournee 1998 das geschwungene Horn aus der Hand und nahm stattdessen den Fotoapparat. Ausstellungen u.a. in der National Art Gallery in Kuala Lumpur (»German Art of the 90’s«) und erste Veröffentlichungen u.a. im »Spiegel« deuten an, daß Barthelmes’ Finger nicht nur die Tastatur des Saxophons, sondern auch den Auslöser eines Fotoapparats beherrscht.

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Foto: Johannes Barthelmes
Seit fast zwei Jahren bastelt er an einer neuen Idee: serene. Genauer: der »serene Bar«. Dort soll Raum sein für beides: Musik und Fotografie. Ein Ausstellungsraum, eine Podium für Kultur aller Art, für Kabarett, Cabaret, Lesungen, Tanz … Ein Schmelztiegel für eine Art Kultur, vor der keine erhobenen moralischen Zeigefinger dozieren.

Im Gegenteil: Barthelmes’ fotografischer Zeigefinger hat etwas erfreulich Unmoralisches. Ebenso wie der Musiker liebt der Aktfotograf die Provokation und die Spur einer Grenzüberschreitung. Was bei Musik die Balance zwischen Chaos und Symphonie war, ist nun die Gratwanderung zwischen Fotografie und Pornografie. Deshalb werden als Kontrapunkt zu den Akten an den karminroten Wänden hinter der acht Meter langen Bar Porträts zu sehen sein – schlichte Gesichter, Augenblicke aus allen Winkeln der Welt. Barthelmes hat sich einen Rahmen geschaffen, einen Raum für seine Kunst.

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Foto: Johannes Barthelmes
Im zweiten Raum der »serene Bar« sind die Wände heller. Dort werden andere Künstler zu Worte kommen: Maler, Fotografen, Bildhauer. Dort wird die Bühne sein für Konzerte, Lesungen und Kabarett. Doch nicht an jedem Abend soll Kultur im Vordergrund stehen. Vor allem soll die »serene Bar« ein Ort alltäglicher, allabendlicher Gelassenheit sein. Eine Symbiose von Kneipe und Bar, mit einfachen Bieren, guten Weinen, Cocktails, Whiskys, Oliven und Käse … Damit richtet der Kulturaktivist in dem ehemaligen Kama-Theater in der Friesenstraße 14 nicht nur einen neuen Raum für Kunst ein, sondern er verwischt mit seiner Idee von »serene« die Demarkationslinie zwischen Theater, Konzerthalle, Ausstellungsraum und Kneipe.

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