Juli / August 2001 - Ausgabe 29
Die Geschichte
Vergangenheit und Zukunft des Technikmuseums von Joachim Jung |
Schweigsam stehen sie nun in ihrem Container, dampfen, fauchen, zischen nicht mehr. Es sind Kolosse, krude Dampfmaschinen, Dinosaurier aus den Anfängen des Maschinenzeitalters. Die von Borsig konstruierte Schnellzuglok Beuth aus dem Jahr 1842, mit der die erste Eisenbahn vom Anhalter Bahnhof fuhr, oder die Güterzuglok der österreichischen Südbahn aus dem Jahr 1860, im Original und mit allen ihren Gebrauchsspuren, die die steilen Alpen hinterließen. Man muß kein Eisenbahner sein, keiner, der als Kind Lokomotivführer werden wollte: Im Technikmuseum drängt sich ein Bild auf von jener Wucht, mit der das Industriezeitalter über Europa hereinbrach. Von einem berühmten Bahnhof, der einst an dieser Stelle stand, ist dagegen nicht mehr viel zu sehen. Heute steht am Askanischen Platz nur noch ein kümmerlicher Rest der einst belebten Eingangshalle, in der die Gleise der Berlin-Potsdamer Eisenbahn und der Berlin-Anhaltinischen Eisenbahn (B.A.E.) endeten. Letztere war es, die an der Endstation bei der alten Stadtmauer einen stattlichen Bau errichtete und ihm den heute legendären Namen gab: Anhalter Bahnhof. Schon wenige Jahre später aber, 1875, wurde die erste Version dieses Bahnhofs wieder abgerissen und durch eine modernere Station ersetzt, die dem steigenden Verkehrsaufkommen und den Repräsentationsansprüchen des jungen Kaiserreichs entsprechen sollte. Gleichzeitig begann man auf der anderen Seite des Landwehrkanals mit der Errichtung eines Güterbahnhofs und eines Bahnbetriebswerks. Allmählich entstanden Lokomotivschuppen, eine Wagenwaschhalle, Werkstätten und Verwaltungsgebäude, sowie die Gebäude des Postpaketbahnhofs. Es siedelten sich Firmen um den Bahnhof an, wie zum Beispiel die Berliner Markt- und Kühlhallengesellschaft, deren Firmeninhaber Carl Linde im Jahre 1908 ein Gebäude an der Trebbiner Straße errichten ließ. Das dort produzierte Stangeneis diente vor allem zur Kühlung der am Güterbahnhof angelieferten verderblichen Waren. Das Museum am Halleschen Ufer ist ein Auffangbecken für die verstreuten Reste der Berliner Vorkriegssammlungen aus Museen mit ähnlicher Thematik, deren Bestände bei Kriegsende entweder zerstört, ausgelagert oder verschollen waren. Die wichtigsten Vorläufer des technischen Museums in Kreuzberg waren das 1906 gegründete Verkehrs- und Baumuseum im stillgelegten Hamburger Bahnhof mit Objekten zur Entwicklung der Verkehrswege, das Post- und Rundfunkmuseum (1872 das erste seiner Art auf der Welt), das Museum für Meereskunde (1906 eröffnet) und das Luftfahrtmuseum. Es wurde 1936 in Moabit gegründet und war seinerzeit die größte Luftfahrtschau der Welt. Nach dem Krieg suchte man in der geteilten Stadt eine Institution, die sich der Überreste dieser großen Museen der Technik annahm. So formierte sich im Jahr 1960 eine »Gesellschaft für die Wiedererrichtung eines Verkehrsmuseums«, welche vier Jahre darauf die ersten Sammlungen in der Urania präsentierte. Da die dortige Ausstellungsfläche jedoch begrenzt war, wandte man sich an den Berliner Senat, der nach vielen Anläufen 1982 dem Aufbau eines neuen Museums zustimmte. Die Standortwahl fiel auf die erhaltengebliebenen Gebäude der Markt- und Kühlhallengesellschaft. Die Ringlokschuppen des Güterbahnhofs wurden mit einem Übergang an das Gebäude der Kühlhallengesellschaft angeschlossen. Hinzu kam ein Ausstellungsareal im Freien, wo allmählich Gras und Buschwerk die alten Gleise zu den Lokschuppen überwucherten. Jetzt drehen sich dort die Flügel einer Windmühle, ein Wasserlauf betreibt eine historische Schmiede – alte, doch nicht weniger wunderbare Werke der Technik. Foto: Nikolaos Topp
Dabei handelt es sich um ein architektonisch und bauökologisch ambitioniertes Projekt. Konsequent setzte man die Idee eines Niedrigenergiehauses um. Heliostaten auf dem Dach fangen das Sonnenlicht ein und leiten es über spezielle Lichtleiter ins Innere des Gebäudes. Umlenkspiegel dienen zur Beleuchtung, indem sie das durch Lichtschächte von der Decke hereinfallende Sonnenlicht reflektieren. Und auch die Objekte in den neuen Ausstellungshallen lenken den Blick des Besuchers nach oben. Denn hier soll die neue Berliner Luftfahrtausstellung entstehen. Schon einmal versammelte man die ersten Flugzeuge der Welt in einem Luftfahrtmuseum in Berlin: in Moabit. Im Sommer 1943 jedoch wurden die Exponate wegen der alliierten Luftangriffe nach Pommern ausgelagert und nach dem Krieg dem polnischen Luftfahrtmuseum in Krakau zugewiesen, das sie in unzugänglichen Depots aufbewahrte. In zähen Verhandlungen mit Krakau gelang es jedoch, 20 Flugzeuge für die Sammlung des Technikmuseums zurückzuerlangen. Schon seit längerem schwebt nun über der Dachterrasse des Neubaus eine C 47 Skytrain. Sie ist zum Symbol der Berliner Nachkriegsgeschichte geworden, kein Flugzeug wurde von den Berlinern sehnsüchtiger erwartet als der sogenannte Rosinenbomber. 1998, im Jubiläumsjahr der Luftbrücke, wurde die Maschine aus Gatow ins Museum am Kanal transportiert. Sie wird auch das Wahrzeichen des Kreuzberger Technikmuseums werden. Etwa 40 000 Quadratmeter stellt man im neuen Museumsbau der Geschichte der Technik zur Verfügung. Und man ahnt schon, daß aus diesem Kultur-Komplex am Rande Kreuzbergs ein weiteres Hauptstadt-Museum internationalen Ranges werden könnte. <br> |